Das islamische Recht ( Schariaa)

" Gottes ist die Herrschaft der Himmel und der Erde und dessen, was zwischen ihnen ist. Und Er hat Macht über alle Dinge ." ( Sure 5, Vers 120 )

Im Zuge der Berichterstattung der westlichen Medien über die islamische Bewegung und das Wiedererstarken des Islam in den islamischen Ländern ist der Begriff Schariaa mittlerweile zu einem recht bekannten und leider auch negativ besetzten Begriff geworden. Kaum jemand kennt jedoch seine wirkliche Bedeutung.

5.1. Was bedeutet Schariaa ?

Die Bedeutung läßt sich aus der Gesamtheit des islamischen Weltbildes herleiten. Kern der islamischen Lehre ist "Tauhid" (Einheit Gottes), der reine Monotheismus. Der Muslim bekennt, dass es nur einen einzigen Gott gibt, Der alles Sein erschaffen hat und die Schöpfung erhält leitet und entwickelt.

In dieser Schöpfung hat Gott Gesetzmäßigkeiten erschaffen, die eine harmonische und geordnete Entwicklung der Schöpfung gewährleisten :

"Hast du denn nicht gesehen, dass Gott die Nacht in den Tag übergehen läßt und den Tag übergehen läßt in die Nacht und dass Er die Sonne und den Mond dienstbar gemacht hat, so dass jedes seine Bahn läuft zu einem bestimmten Ziel, und dass Gott wohl kundig ist dessen, was ihr tut?." ( Sure 31, Vers 29 ).

Der Mensch nimmt in dieser Schöpfung eine besondere Stellung ein, die als "Statthalterschaft Gottes auf Erden" (vgl. Sure 2, Vers 31 ) bezeichnet wird, da der Mensch von Gott mit besonderen Fähigkeiten ausgezeichnet worden ist, die es ihm ermöglichen, Macht über andere Teile der Schöpfung auszuüben. Diese Fähigkeiten schließen jedoch eine hohe Verantwortung des Menschen mit ein, da ihr Mißbrauch sowohl der Menschheit, als auch der übrigen Schöpfung immensen Schaden zufügen kann.

5.2. Weg zur Gottergebenheit :

Der mit einem freien Willen ausgestattete Mensch braucht also eine Rechtleitung, die ihm den Weg des rechten Gebrauches seiner Fähigkeiten weist, damit er diese zum Nutzen der Menschheit und der übrigen Schöpfung entfalten kann. Diesen Weg nennt der Islam Schariaa, denn Weg (zur Wasserquelle ) ist die wörtliche Übersetzung dieses arabischen Wortes.

Aufgezeichnet wird uns dieser Weg durch den Qur'an, d.h. die unverfälschte Offenbarung Gottes und durch die vorbildliche Handlungsweise Seines Propheten Muhammad (Gott segne ihn und seine Familie ), die auf arabisch Sunna ( Brauch, normatives Verhalten ) genannt wird.

Prophet Muhammad (Gott segne ihn und seine Familie ) stellt, wie auch alle Gesandten vor ihm, ein vortreffliches Beispiel für einen gottergebenen Menschen :

" Wahrlich, ihr habt an dem Propheten Gottes ein schönes Vorbild für jeden, der auf Gott und den letzten Tag hofft und Gottes häufig gedenkt." ( Sure 33, Vers 20 ).

Diese beiden Quellen zeigen dem Menschen einen Weg auf, der es ihm ermöglicht, im Einklang mit der göttlichen Schöpfungsordnung zu leben und seine Fähigkeiten zu entwickeln, so dass er ein wahrer Diener Gottes wird. Dieser Weg befindet sich daher auch in vollkommener Übereinstimmung mit der Vernunft, die im Islam als notwendiges Instrument zum Verständnis der Schariaa betrachtet wird. Die Schariaa ist also ein allumfassender Weg, der den Menschen zu Gott führt und ihm zugleich aufzeigt, wie Gottergebenheit praktisch verwirklicht werden kann.

5.3.Welche Bereiche umfaßt die Schariaa ?

Diese Frage wird eigentlich schon mit der Frage nach der Bedeutung der Schariaa beantwortet. Da der Islam die Unterwerfung unter den einzigen Gott bedeutet und die Schariaa der Weg ist, der den Menschen zu Gott führt, indem er ihn zeigt, wie man Gottergebenheit verwirklicht, ist es einleuchtend, dass die Schariaa alle Bereiche und Aspekte des menschlichen Lebens umfaßt.

Diese Formulierung bedarf einer genaueren Erläuterung, da sonst der falsche Eindruck entstehen könnte, es handle sich um ein einschränkendes Zwangssystem, das den Menschen reglementieren und beschränken möchte.

Die Schariaa als ein umfassendes und vor allen Dingen auch unteilbares System ist zwar ein Reglungssystem, jedoch kein Zwangssystem. Es ist vielmehr ein durch die Vernunft bestätigtes, einleuchtendes System. Die Schariaa ist deswegen umfassend und unteilbar, weil auch Gott allumfassend und unteilbar ist. Er ist allgegenwärtig und allmächtig, und Seine Herrschaft umfaßt alle Dinge.

Frieden und Gerechtigkeit können daher nur erreicht werden, wenn der Mensch bereit ist, sich in allen Bereichen des Lebens den göttlichen Normen zu unterwerfen, deren Sinn eben nicht die Unterdrückung des Menschen sondern die Wahrung seiner Würde und die Entwicklung seiner Fähigkeiten.

5.4.Unteilbares Rechtssystem

Die Schariaa umfaßt das gesamte menschliche Leben auf der individuellen Ebene von der Frage des richtigen Gebetes bis hin zur Frage der Wahl des Staatspräsidenten auf der gesellschaftlichen Ebene. Sie beschränkt sich dabei auf das Notwendige, denn sie ist immer zweckgebunden : sie soll den Menschen zu seinem eigentlichen Herrn führen und ihm eine harmonische Ordnung geben.

Die Schariaa ist vor allen Dingen eine Einheit, die nicht zerstückelt werden kann, ohne dass sie ihrer Identität beraubt wird. Die Normen der einzelnen Rechtsgebiete sind aufeinander abgestimmt und ergänzen einander, so dass man die Schariaa nicht mit anderen Rechtssystemen kombinieren kann, ohne dass sie dabei Schaden erleidet und ihrer Funktionsfähigkeit beraubt wird. Vor allen Dingen aber ist sie nicht statisch. Sie ist im Gegenteil dynamisch und verlangt stets die Berücksichtigung der aktuellen Gegebenheiten und Umstände der Zeit und des Ortes, an dem man sich befindet.

Aus der Schariaa praktische Rechtsnormen abzuleiten, ist daher Aufgabe der islamischen Rechtswissenschaft.

5.5.Islamische Rechtswissenschaft

Die Schariaa als solche ist noch kein vollständiges Rechtssystem. Deshalb wäre es falsch, sie mit dem islamischen Recht oder gar Strafrecht gleichzusetzen. Sie ist vielmehr die Quelle der islamischen Rechtswissenschaft, aus der die islamischen Juristen faktische Rechtsnormen entwickeln. Zwar enthält auch die Schariaa praktische Rechtsnormen, doch um eine solche Abteilung vollziehen zu können, bedarf es der Einsicht in die Schariaa, weshalb das islamische Recht als Figh, d.h. Einsicht, bezeichnet wird.

Das Ableiten der Rechtsnormen aus der Schariaa wird Idschtihad ( wörtlich : Anstrengung ) genannt. Dieser Idschtihad ist die eigentliche Aufgabe des islamischen Rechtsgelehrten, denn durch ihn wird die Dynamik des islamischen Rechts, seine Fortentwicklung und Anpassung an die sich verändernden Gegebenheiten der Zeit gewährleistet. Eine solche Aufgabe kann jedoch nicht ohne wirkliche Einsicht, also ohne ein tiefes und umfassendes Verständnis der Schariaa, bewältigt werden.

5.6.Dynamische Rechtsentwicklung :

Prophet Muhammad (Gott segne ihn und seine Familie ) hat immer die Entscheidung getroffen, die den göttlichen Normen entsprechend somit auch von der menschlichen Vernunft problemlos nachvollziehbar gewesen ist. Der islamische Jurist hat insbesondere die Aufgabe, diesen Sinn der Entscheidungen des Propheten herauszufinden und ihn dann auf die Probleme seiner Zeit zu übertragen. Während also manche praktische Entscheidungen in der Schariaa zeitgebunden sind, muß es die Aufgabe der islamische Juristen sein, durch Idschtihad die hinter diesen Entscheidungen stehenden zeitlosen Prinzipien der Schariaa zu ergründen, um auf diese Weise die mannigfaltigen Probleme zu lösen, mit denen die Menschen konfrontiert werden.

Zur Bewältigung dieser Aufgabe stehen dem islamischen Juristen als Instrumente u.a. die Vernunft (arabisch : Agl = und der Konsens der kompetenten Gelehrten ( arabisch idschma ) zur Verfügung. Durch diese Hilfsmittel ist es möglich, die zeitlichen Prinzipien der Schariaa zu ermitteln und somit das islamische Recht dynamisch fortzuentwickeln.

5.7.Geltungsbereich der Schariaa :

Die Schariaa ist grundsätzlich nur für den Muslim verbindlich, d.h. Angehörige anderer Religionen unterliegen auch in einem islamischen Staat nicht dem islamischen Recht. Nichtmuslimen wird in einem islamischen Staat aufgrund der Schariaa Rechtsautonomie gewährt. Sie können ihre rechtlichen Angelegenheiten autonom regeln, so dass die Schariaa nur bei Streitigkeiten zwischen Muslimen und Nichtmuslimen herangezogen wird. Wobei auch hier die Schariaa vorschreibt, auch die Rechtsvorstellung der Nichtmuslime zu berücksichtigen.

5.8.Anwendung der Schariaa :

Wie jedes andere Rechtssystem kann auch die Schariaa mißbraucht und zweckentfremdet werden. Es existiert kaum eine Phase in der Geschichte der islamischen Länder, in der von einer völligen Praktizierung der Schariaa gesprochen werden könnte. Meistens wurde die Schariaa von diktatorischen Herrschern mißbraucht, die diese verfälschten, zweckentfremdeten oder schlichtweg nicht beachteten. Auch heute noch versuchen viele Regime, die angeblich die Schariaa praktizieren, unter dem Deckmantel der Religion die Menschen zu unterdrücken, während damals wie heute viele islamische Rechtsgelehrte ihr Eintreten für eine wirkliche Befolgung der Schariaa mit dem Tod, Folter oder Verfolgung bezahlen müssen.

Die Schariaa kann jedoch nur dann ihren Zweck wirklich erfüllen, wenn einerseits die Menschen bereit sind, ihr zu folgen, und andererseits genügend aufrichtige Rechtsgelehrte vorhanden sind, die bemüht sind, den objektiven Sinn der Schariaa zu ermitteln, und sich nicht den Machtinteressen der Herrschenden beugen.

Die Muslime sind sich heute in immer stärkerem Maße bewußt, dass die Lösung ihrer vielfältigen Schwierigkeiten von ihrer eignen Bereitschaft abhängt, die Schariaa zu verwirklichen. Schon aus diesem Grunde kann man keinem Volk die Schariaa aufzwingen. Sie kann nur dort praktiziert werden, wo die Menschen die aufrichtige innere Bereitschaft haben, ihr Leben auf dem Weg zu beschreiten, den die schöpferische Weisheit ihnen durch die Schariaa aufgezeigt und geebnet hat :

" Wahrlich, Gott ändert die Lage eines Volkes nicht, solange sie ( die Menschen) nicht das ändern, was in ihnen ist." (Sure 13, Vers 12 ).

6.1. Frau im Islam

"O mein Volk, das Leben auf dieser Erde ist wahrlich nur ein vergänglicher Genuß ; und das Jenseits allein ist wahrlich die dauernde Heimstatt. Wer böses tut, dem soll nur mit Gleichem vergolten werden ; wer aber Gutes tut - sei es Mann oder Frau und dabei gläubig ist - , diese werden ins Paradies eintreten ; darin werden sie mit Unterhalt versorgt werden, ohne daß darüber Rechnung geführt wird ". ( Sure 40, Vers 39 ).

Nicht selten wird Muslimen und islamischen Gemeinschaften und Gesellschaften vorgeworfen, im Islam würden Frauen für minderwertiger erachtet als Männer und deshalb würden ihnen weniger Rechte und Freiheiten zugestanden als diesen.

Solche Vorwürfe kommen dadurch zustande, dass zweierlei miteinander verwechselt wird : Verhaltensmuster, Tradition und Einstellungen, die sich im Lauf der Zeit entwickelt haben und daraus resultierendes Gewohnheitsrecht in vielen sogenannten islamischen Ländern auf der einen Seite und die Rechtleitung, die Gott uns Menschen in Seiner Offenbarung an die Propheten gegeben hat, auf der anderen. Prophet Muhammad, Gott segne ihn und seine Familie, empfing in der Zeit zwischen 610 und 632 n.Chr. die letzte, uns vollständig im heiligen Qur'an überlieferte Verbaloffenbarung Gottes ; sie ist der unzweifelhafte Beweis für die göttliche Gnade und die beste Richtschnur für menschliches Handeln. Muslime, die gemäß dieser göttlichen Rechtleitung leben, unterdrücken nicht und sollen sich nicht unterdrücken lassen. Allah betont ausdrücklich :

".....Seht, Ich lasse kein Werk der Wirkenden unter euch verlorengehen, sei es von Mann oder Frau, die einen von euch sind von den anderen...." ( Sure 3, Vers 195 )

Muslimische Frauen sind der Meinung, dass die Quellentexte des Islam, nämlich der Qur'an und das, was uns über die Lebensweise des Propheten Muhammad bekannt ist, nur eine Tendenz verfolgen : Die Befreiung der Frau auf allen Gebieten unter Berücksichtigung ihrer speziell weiblichen Natur. Dieser Aspekt soll näher verdeutlicht werden.

6.2.Gleichheit vor Gott

Die Frau hat vor Gott den selben Stellenwert, wie der Mann. Sie ist ihm geistig völlig ebenbürtig. Sie ist in ihrer Fähigkeit sich zu vervollkommnen, d.h. die absoluten Eigenschaften Gottes wie Aufrichtigkeit, Schönheit, Weisheit, Großzügigkeit, Kreativität, Gerechtigkeit, Weisheit, Großzügigkeit, Wahrhaftigkeit, Lebendigkeit, Autorität, Mitgefühl, Geduld, Güte, Einzigartigkeit, Unabhängigkeit usw. anzustreben, genausowenig bzw. genausoviel eingeschränkt wie der Mann.

" Wahrlich, die muslimischen Männer und die muslimischen Frauen, Die gläubigen Männer und die gläubigen Frauen, die gehorsamen Männer und die gehorsamen Frauen, die wahrhaftigen Männer und die wahrhaftigen Frauen, die geduldigen Männer und die geduldigen Frauen, die demütigen Männer und die demütigen Frauen, die Männer, die Almosen geben, und die Frauen, die Almosen geben, die fastenden Männer und die fastenden Frauen, die Männer, die ihre Keuschheit wahren, und die Frauen, die ihre Keuschheit wahren, die Männer, die Allah häufig gedenken, und die Frauen, die Allah häufig gedenken - Allah hat ihnen allen Vergebung und großen Lohn bereitet. " ( Sure 33, Vers 35 ).

In zahlreichen quranischen Versen wird eindeutig die Ansicht vertreten, dass Frauen und Männer aus einen ihnen entsprechenden Wesen erschaffen worden sind. Über den ersten Menschen heißt es :

" ..Der euch aus einem einzigen Wesen erschaffen hat, und aus ihm das ihm entsprechende andere Wesen, und aus ihnen beiden viele Männer und Frauen hat hervorgehen und sich über die Erde ausbreiten lassen..." ( Sure 4, Vers 1 )

Quranisch gesehen gibt es keine größere Anfälligkeit der Frau für Sünde. Der Islam lehrt uns, dass beide Urtypen des Menschengeschlechtes Adam und Eva, jeder selbstverantwortlich Gottes Gebot übertraten. Eva war nicht die Verführerin Adams !

" Doch Satan ließ beide daran straucheln und trieb sie von dort, worin sie waren. " ( Sure 2, Vers 37 )

Nicht nur Männer spielen Hauptrollen in quranischen Erzählungen, sondern der Qur'an nennt neben jedem großen Mann eine große Frau ; z.B. werden die Frauen Adams und Abrahams sowie die Mutter Moses und Jesus gepriesen, aber auch die Ehefrau Pharaos. Über Maria, deren Name die 19. Sure (Maryam) trägt, heißt es, sie habe eine solche Stellung erreicht, dass sie Zacharias, den Propheten ihrer Zeit, hinter sich ließ und ihn in Erstaunen versetzte.

Es gibt keinen Grund, warum nicht auch eine Frau aktiv bei der Gestaltung und dem Aufbau der Gesellschaft mitarbeiten könnte. In der echten islamischen Umma sind beide, sowohl Mann als auch Frau, engagierte vollwertige Mitglieder. Beide haben das Recht und die Aufgabe an der Bildung einer gerechten Ordnung mitzuwirken. Sie sind politisch gleichberechtigt.

" Die gläubigen Männer und die gläubigen Frauen sind einer des anderen Freund. Sie gebieten das Gute und verwehren das Schlechte und verrichten das Gebet und zahlen die Zakat und gehorchen Allah und Seinem Gesandten. Sie sind es, derer Allah sich erbarmen wird. Wahrlich, Allah ist allmächtig, allweise. " ( Sure 9 , Vers 71 )

Der Islam erkennt den Grundsatz der Gleichberechtigung der Menschen im Falle unterschiedlicher Geschlechter an, aber er richtet sich gegen die Identität der Rechte und Pflichten beider. Die Unterschiede zwischen Mann und Frau sind komplementär. Sie haben mit der Unvollkommenheit des einen und der Vollkommenheit des anderen nichts zu tun.

Mann und Frau, die für ein gemeinsames Leben geschaffen worden sind, ergänzen sich durch diese Unterschiede gegenseitig. Wenn die Frau danach strebt, sich zu verändern, weiterzuentwickeln und die Attribute Gottes zu assimilieren, so bedeutet das, allen starren Normen zu verneinen und zum höchsten Ziel vorwärts zuschreiten. Es handelt sich dabei um einen immerwährenden Prozeß der Vervollkommnung, nicht um eine Zurechtstutzung in Schablonen und Stereotypen; es handelt sich aber auch nicht um eine Veränderung, die darauf hinausliefe zum das männliche und weibliche Prinzip vereinenden Einzelwesen zu werden.

Es bräuchte sonst keine Polarität in der Schöpfung zu geben.

6.3.Islamisches Frauenideal :

Sie ist eine Frau, die philosophische Gedanken nicht von der Sorge um ihre Mitmenschen ablenken. Ihr soziales Engagement führt nicht zu dem Hang, es den Leuten in jedem Fall recht machen zu wollen, Wissen raubt ihr nicht den Sinn für den Glauben, Gottesfurcht macht aus ihr kein Frömmchen, das zu nichts zu gebrauchen ist.

Sie ist eine Frau der Poesie ebenso wie des kritischen Eintretens für Gerechtigkeit. Sie hat wahre Menschlichkeit in sich vereint. Das Leben hat sie nicht zu einem eindimensionalen gebrochenen Geschöpf gemacht und sie nicht von ihrem Selbst entfremdet.

6.4.Sexualität und Ehe :

Sexualität ist eine natürliche Veranlagung der Menschen mit körperlichem und spirituellem Aspekt, doch wird sie im Islam durch festgelegte Eheformen reguliert. So wird gewährleistet, dass die natürliche Verbindung zwischen Mann und Frau nicht ihren gottgewollten Charakter verliert, nämlich das näherbringen der Partner zu Gott, unserem Schöpfer und Erhalter.

" Und von jedem Ding haben Wir Paare erschaffen, auf das ihr euch vielleicht doch besinnen möchtet.!" ( Sure 51, Vers 49 )

Unzählige Gegensatzpaare als wechselseitige Erscheinungsformen eines harmonischen Ganzen lassen sich finden im Tierreich, im Pflanzenreich, im Wechsel von Tag und Nacht, in Proton und Elektron, in dem das ganze Universum durchziehenden Gesetz der gegenseitigen Anziehung und Abstoßung. Jeder einzelne Teil für sich erfüllt seinen Zweck und leistet seinen Beitrag im wunderbaren Schöpfungsplan Gottes, doch erst in der gegenseitigen Ergänzung entfalten sie ihre Stärke. Gerade die Verbindung zwischen Mann und Frau in einem gottgewollten Bund verdeutlicht uns, wie schön und notwendig das Aufeinanderwirken, der Austausch beider Pole ist. Wenn sich beide erkennen und ergänzen, ist das die beste Voraussetzung für Harmonie und Frieden zwischen ihnen und allen anderen Geschöpfen, für das Einswerden mit Seiner Schöpfung und damit auch mit Ihm!.

6.5. Schutz der Familie :

Eine gesunde Gesellschaft wird in erster Linie von gesunden Familien getragen, und gerade deshalb genießt die Familie in einem islamischen System besonderen Schutz.

Das Idealbild der Ehegemeinschaft im Islam ist nicht ein egoistisches Nebeneinander der beiden Partner, sondern ein ergänzendes Mit- und Füreinander. Aus diesem Grunde sollten die Aufgaben sinnvoll geteilt und partnerschaftlich zusammengearbeitet werden. Jeder soll dem anderen so viel Freiraum zugestehen, wie dieser zur Entfaltung seiner Idealgestalt benötigt. Ein starr festgelegtes Rollenschema gibt es im Qur'an nicht; es geht jedoch klar aus ihm hervor, dass es die wertvollste Aufgabe einer Mutter ist, die Kinder nach der Geburt weiter zu versorgen. Sie hat durch ihren körperlichen Bezug zum werdenden Leben von Anfang an die innigste Beziehung, und in den ersten Lebensjahren ist sie die primäre Bezugsperson für das kleine schutzbedürftige Wesen. Vor allem in dieser Situation ist es wichtig, dass der Vater die Beschützer- und Versorgerrolle einnimmt und auf diese Weise dem Kind eine unbelastete Kindheit ermöglicht wird.

Eine muslimische Frau darf nicht ans Haus gebunden werden, aber sie soll ihre Aufgabe als erste Bezugsperson der Kinder verantwortungsvoll übernehmen, vor allem während der ersten Lebensjahre des Kindes. Das muß die gesellschaftliche Position einer Frau in keiner Weise beeinträchtigen, höchstens ihre Produktivkraft in anderen Bereichen, z.B. im Arbeitsleben. Wenn sie aber ihren Erziehungsauftrag gewissenhaft erfüllt, ihre Kinder ethisch erzieht, legt sie damit den Grundstein für eine ethischere und damit glücklichere Gesellschaft, und so gesehen erweist sich ihr Bemühen als von unschätzbarem Wert.

Nichtsdestoweniger darf das ihre eigene Vervollkommnung und Gottergebenheit nicht beeinträchtigen.

" Verschönert ist den Menschen die Liebe zu den Begehrten, Frauen und Kindern und aufgespeicherten Haufen von Gold und Silber...Das ist die Versorgung für dieses Leben; doch Allah ist es, bei dem die schönste Heimstatt ist. Sprich : Soll Ich euch von etwas Besserem Kunde geben als diesem ?. Für diejenigen, die Gott fürchten, sind Gärten bei ihrem Herrn..." ( Sure 3, Verse 14 und 15 )

7.Islam und Umwelt :

" Verderbnis ist gekommen über Land und Meer um dessentwillen, was die Hände der Menschen gewirkt, auf dass Er sie kosten lasse die Früchte so mancher ihrer Taten, damit sie umkehren. " (Sure 30 , Vers 41 )

Das Leben auf der Erde ist bedroht : Waldsterben, Verseuchung von Flüssen, Seen und Meeren, Vergiftung der Luft, Zerstörung der Atmosphäre, Schädigung der Erbanlagen durch nukleare Einwirkungen, Aussterben von Tier- und Pflanzenarten, Abholzung der Regenwälder usw. verlangen dringend eine Umkehr, um die bevorstehende Umweltkatastrophe abzuwenden, ehe es zu spät ist.

Die materialistischen Ideologien sind dazu nicht in der Lage ; vielmehr beuten sie ohne Rücksicht auf die natürlichen Lebensbedürfnisse von Pflanzen, Tieren und Menschen unsere Erde ungehemmt aus.

7.1. Sinn des Daseins :

" Gott gehört, was im Himmel und was auf Erden ist." heißt es im Quran. Nicht der Mensch mache sich die Erde untertan, sondern Gott ist der eigentliche Besitzer des Weltalls.

Jene Realität jenseits aller menschlichen Vorstellungen läßt alle Dinge entstehen und sich entfalten und nach einer bestimmten Zeit vergehen, wenn sie ihren Daseinszweck erfüllt haben. Prismenartig reflektieren die Erscheinungen der Natur göttliches Licht und verkünden in ihrer schier unbegrenzten Vielfalt die ewige Manifestationen Seiner Herrlichkeit.

Diese Aufgabe können sie aber nur dann erfüllen, wenn die Lebensformen in einer für sie geeigneten Umwelt und in wechselseitigen Beziehungen ihre schönsten und besten Wesenszüge zeigen können. Der Sinn des Daseins impliziert die Schaffung all jener Voraussetzungen, die eine harmonische und aufeinander abgestimmte Existenz aller Lebewesen möglich machen.

7.2.Verantwortung für die Schöpfung :

Während Pflanzen und Tiere instinktiv den auf Harmonie gerichteten göttlichen Gesetzmäßigkeiten folgen, spielt der Mensch hierbei eine widersprüchliche Rolle : Einerseits ist er vernunftbegabt und fähig, die Gesetzmäßigkeiten, die überall in der Schöpfung wirksam sind, zu begreifen und sinnvoll zum Wohle des Ganzen einzusetzen. Anderseits wird er jedoch von egoistischen Interessen, Begierden und destruktiven Impulsen getrieben, wodurch er nicht nur die Harmonie zerstört, sondern sogar seinen eignen Fortbestand gefährdet. Als " Statthalter Gottes auf Erden " (vgl. Sure 2, Vers 30 ) trägt er jedoch die Verantwortung für die Pflege und den Erhalt aller Lebensformen. Alles, was er tut oder was er unterläßt, kann für den Fortbestand der Welt von Bedeutung sein.

Die erdischen Dinge werden den Menschen für eine bestimmte Frist überlassen :

" Habt ihr nicht gesehen, dass Gott euch alles dienstbar gemacht hat, was in den Himmeln und was auf der Erde ist, und dass Er Seine Wohltaten so reichlich über euch ergossen hat, äußerlich wie innerlich?. Und doch gibt es unter den Menschen so manchen, der über Allah streitet, ohne Kenntnis und ohne Führung und ohne ein erleuchtendes Buch. " ( Sure 31 , Vers 20 )

Der Mensch soll laut Imam Ali (Friede sei mit ihm) für das Diesseits leben, als ob er für immer auf dieser Erde bliebe, und für das Jenseits, als ob er sie schon morgen verlassen müßte. Obwohl der Mensch die Verantwortung zum Erhalt der Schöpfung auf sich nahm, ist er dennoch oft ungerecht und zu unwissend, um diese Aufgabe gerecht zu werden :

" Wir boten das vollkommene Vertraunspfand den Himmeln und der Erde und den Bergen an, doch sie weigerten sich, es zu tragen. Aber der Mensch nahm es auf sich. Wahrlich, er ist sehr ungerecht und unwissend !" ( Sure 33, Vers 72 )

Seine egoistische Haltung bewirkt "Verderbnis über Land und Meer" , durch deren Folgen er oft erst zur schmerzlichen Einsicht über sein Fehlverhalten gelangt.

7.3. Die Zeichen der Natur :

Der Quran wendet sich immer wieder an die Verständigen mit der Aufforderung, ihre Umwelt zu erforschen und zu begreifen : Wachstum, Reife, Jahreszeiten, Klimaveränderung, Bewegung der Gestirne, Pflanzen, Tiere, Bodenschätze - nicht als unser Eigentum zu verstehen, sondern als "Zeichen", durch die sich unser Schöpfer mitteilt und aus denen wir Nutzen ziehen können.

" Und Er ist es, Der die Erde ausbreitete und Berge und Flüsse in ihr gründete. Und Früchte aller Art schuf Er auf ihr, ein Paar von jeder. Er läßt die Nacht den Tag bedecken. Hierin sind wahrlich Zeichen für ein nachdenkendes Volk. " (Sure 13, Vers 3)

Aber auch über die Ursachen und Folgen destruktiver Einwirkung sollen sich die Menschen bewußt werden.

" Reiset umher auf Erden und seht, wie das Ende derer war, die vor euch lebten. Die meisten von ihnen waren Götzendiener. " (Sure 30, Vers 43 )

sagt der Quran über diejenigen, deren Gesellschaften und Kulturen untergegangen sind und aus deren historischem Beispiel wir lernen sollen.

7.4. Die Götzen unserer Zeit :

Heute heißen die modernen Götzen Gewinnmaximierung, Konsum, Vergnügen, Prestige usw., die den Menschen die innere Harmonie und Eintracht mit der Schöpfung vergessen machen. Hin- und hergerissen zwischen vergänglichen Flüchtigkeiten ist der Mensch unfähig, zu seiner eigentlichen, von Gott gegebenen Identität vorzustoßen.

Er ist nicht länger zur Gesamtschau der Wirklichkeit in der Lage. Die Erkenntnis der gegenseitigen Abhängigkeit aller Geschöpfe und die daraus resultierende Verantwortung für sich und seine Umwelt bleiben ihm verbaut.

7.5. Zurück zur Einheit :

 

Doch um seelische Ausgegelichenheit und Harmonie mit der Natur wiederherzustellen, benötigt der Mensch einen neuen ganzheitlichen Ansatz, der imstande ist, Natur und Mensch, Geist und Materie, Wirtschaft und Ökologie zu versöhnen. Darin liegt die aktuelle Botschaft der Einheit Gottes (Tauhid) begründet. Durch das Bekentnis zu jener einen Wirklichkeit könnte die Spaltung zwischen den kurzlebigen ökonomischen Interessen und den bleibenden geistigen und religiösen Werten überwunden werden.

 

Doch damit nicht genug: Auch die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und die Ausbeutung der Natur durch den Menschen könnten beseitigt werden, da sie Erscheinungsformen ein- und derselben materialistischen Grundeinstellung sind.

7.6. Moral und Politik :

Eine Trennung zwischen moralischen, d.h. naturerhaltenden Werten und wirtschaftlichen, d.h. naturzerstörerischen Erwägungen müßte ausgeschlossen sein. Da die Erhaltung unserer Umwelt uns alle angeht, können wir die Verantwortung nicht einer kleinen Gruppe von Experten überlassen.

Wir müssen zu den bewährten religiösen Tugenden wie Mitgefühl mit der Kreatur, Genügsamkeit und Verzicht auf Luxus und verschwenderische Eitelkeit zurückkehren, die angesichts der heutigen Situation immer mehr an Aktualität gewinnen.

Letztendlich muß ethisch-moralischem Handeln wieder uneingeschränkt Vorrang vor einem rein Zweck- und profitorientierten ökonomischen Denken eingeräumt werden.

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